Historie

 

Zur Geschichte des Obst-, Wein- und Gartenbauvereins Sommerhausen:

Auszug aus der Festrede

"100 Jahre Obst-, Wein- und Gartenbauverein Sommerhausen"


von Frau Dr. Gabriele Brendel am 17.03.2007.

 

Die Anfänge
Wollen wir gemeinsam zurückblicken: 1907 – daran können wir uns alle nicht mehr erinnern! Was war es für eine Zeit?

Um 1900
Rückgang des fränkischen Weinbaus durch starken wirtschaftlichen Strukturwandel (Industrialisierung), Abwanderung aus der landwirtschaftlichen Erzeugung. Es gab jede Menge Probleme:
1880 erstes Auftreten der Peronospora
1884 erstes Auftreten des Echten Mehltaus
1902 wird in Sickershausen die Reblaus eingeschleppt u. verbreitet sich
Eine wirtschaftliche Trauben- und Weinerzeugung wird in Franken immer weniger möglich.

1906
Da Peronospora erstmalig an Gescheinen und Beeren auftrat und die wenigsten Winzer ihre Reben gekupfert hatten, volle Missernte (96 % Verlust!) und da der Sommer nass und kühl gewesen war, kleine zuckerarme Moste.
Ø 1,1 hl/ha, sehr wenig und gering. Die Pest wütete unter den Reben.

1907
Nasskaltes Wetter, Missjahr. Halber Herbst, mäßige Güte, wieder trat Peronospora stark auf. Ungespritzte Weinberge mussten gemeldet werden.
Ø 3,4 hl/ha, kleiner Herbst, mäßige Güte, wieder starke Peronospora.
Lese in Franken ab 24. Oktober

... aus Sommerhausen gibt es Folgendes zu berichten:

Sommerhausen, am 13. Januar 1907
Auf Einladung des Gemeindebevollmächtigten und Ökonom Johann Stahl von hier fanden sich im Saale des Bachmeyerschen Gastwirtshauses eine Anzahl von Männern zusammen, um zur Gründung eines Garten-, Obst- und Weinbauvereins zu schreiten.

Nachdem Herr Stahl in einleitender Weise über die Schritte und Umfragen berichtete, die er bereits in dieser Sache getan und die Notwendigkeit der Gründung eines solchen Vereins betonte; nachdem ferner Lehrer Gutmann die Nützlichkeit eines solchen Vereines in verschiedener Hinsicht hervorhob, wurde einstimmig beschlossen, denselben nun ins Leben zu rufen und zwar unter dem Namen: Garten-, Obst- und Weinbauverein Sommerhausen.

Demselben traten sofort 32 Mitglieder bei. Mit Stimmeneinheit wurde der Ökonom Johann Stahl als Vorstand gewählt. Nachdem derselbe der Versammlung für ihr reges Interesse und ihre warme Teilnahme an der guten Sache dankte und bestimmte, dass Vereinsversammlungen im Winter allmonatlich, im Sommer in größeren Zeiträumen stattfinden sollen, wurde die 1. Versammlung des Vereins geschlossen.

Vereinsausschuss: Ökonom Johann Stahl, Lehrer Friedrich Gutmann, Weingärtner Karl Sengfelder, Schuhmachermeister Johann Richter und Weingärtner Georg Brand I.

Ein Passus aus der Gründungsversammlung sollte jedoch nicht unerwähnt bleiben:
In weiser Voraussicht hatten damals die Gründungsmitglieder noch folgenden Satz in die Statuten aufgenommen: „Die Vereinskasse darf keinen Beitrag für Freibier leisten.“

Einen interessanten Einblick in die Aktivitäten des Vereins gibt das Protokoll der Generalversammlung im Jahr 1909:
Es wurden für die Vereinsmitglieder bezogen:

  1. bei Wahler Würzburg: 12 Stck. Apfel- und 6 Stck. Kirschbäume
  2. bei Übelher 6 Stck. Apfelbäume
  3. bei Uhiuk in Bühl 4 Stck. Pfirsich, 86 Stck. Kirschen und 30 Stck. Ebersweiherer Zwetschgenbäume

Dieselben wurden zum Engros-Preis an die Mitglieder unter Anrechnung der Transport- und Verpackungskosten abgegeben. Ferner wurden 260 Pfund Raupenleim, sowie Pergamentpapier ebenfalls zum ermäßigten Preis an die Mitglieder vermittelt.
Zum Schluss wurde die Vereinsrechnung für 1908 vorgelesen mit Einnahmen von 104, 92 Mark und Ausgaben von 63,10 Mark.

1912
H. J. Richter wird Nachfolger von Johann Stahl.

1914
Mit dem 1. Weltkrieg kam auch der Frostspanner. Aus Theilheim wurde der amerikanische Tanglefoot Leim bezogen, welcher in Massen den Frostspanner vernichtete. Da aber nicht jeder leimte, blieb dieser bis 1917.

1922
Viele Dinge, die wir heute im Vereinsleben beklagen, waren auch damals schon an der Tagesordnung, wie wir in einem Protokoll der Generalversammlung von 1922 lesen:
Am 4. März fand die Generalversammlung statt, dieselbe war schwach besucht. Herr Vorstand Johann Richter eröffnete hierbei, dass eine Neuwahl stattzufinden habe und lehnte die Wiederwahl ab, mit der Begründung, dass er sich dabei recht ärgern müsse, trotzdem er so viel Arbeit mit dem Verein habe.
Auf eindringliches Zureden besonders vom Herrn Pfarrer erklärte er sich doch bereit, die Wahl wieder anzunehmen. Es wurde ferner beschlossen, den Jahresbeitrag auf 2 Mark zu erhöhen sowie die Benützung der Vereinspumpen für ½ Tag auf 5 Mark zu erhöhen, um so Herrn Vorstand für seine Bemühungen besser vergüten zu können.

Fortbildung wurde schon immer großgeschrieben:
So wurden vom Verein 1928 drei Fachbücher angeschafft:

  1. „Zeitgemäße Maßnahmen im Weinbau“ 1,60 Mark
  2. „Die Rebfeinde, ihre Erkennung und Bekämpfung“ 3 Mark
  3. „Die Schule der Rebzucht“

Aber auch damit musste man leben:
Im Februar 1929 wurden 26 °C Kälte gemessen und es gab unermesslichen Schaden an den Obstbäumen. Die Besitzer umwickelten die geplatzten Stämme mit Säcken und Stroh, um größeren Schaden durch die Sonne zu vermeiden.

Der Boden war bis zu einer Tiefe von 1,20 Meter gefroren. Die Rebwurzeln erfroren teilweise.

Aber auch der Fortschritt ließ nicht lange auf sich warten …
Im Mai 1929 wurde im Rathaus bereits eine Konservendosenverschlussmaschine vorgeführt.

Und auch die Qualität war schon damals ein Thema:
Im Juni 1929 wurde den Obsthändlern mitgeteilt, dass bei der Ablieferung sofort eine Preisfestsetzung erfolgen soll. Die Qualität soll dabei berücksichtigt werden und dann entsprechend bewertet werden. Von Seiten des Obsthändlers soll jeden Tag der Preisanschlag an seiner Obstkaufstelle erfolgen.

Im Juni 1930 wurde dann beschlossen, dass alle Feldwege, die durch Kirschenanlagen führen, für Wandervögel und Spaziergänger gesperrt werden.

Die politischen Ereignisse der damaligen Zeit machten jedoch auch vor dem Verein nicht Halt und so ist zu lesen:
Im Jahr 1934 begrüßte der Vorstand die Anwesenden mit deutschem Gruß und erläuterte, dass es nicht mehr Vorstandschaft heiße, sondern zukünftig „Führerschaft“.

Im Jahr 1938 erhielten sieben Mitglieder keinen Baum-Zuschuss, weil sie noch mit Juden Geschäfte machen.

Im Jahr 1939 wurde von der Reichsregierung angeordnet, dass Schattenmorellen, Spätzwetschgen, Himbeeren und Stachelbeeren anzupflanzen sind.

Nach dem großen Frost im Jahr 1939 wurden im darauf folgenden Jahr 2.500 Bäume bestellt.

Aber letztendlich gab es dann auch wieder Erfreuliches:
1948 wurde der Verein von der Militärregierung lizenziert und offiziell wieder zugelassen. Es fand sogar ein Winzerball statt in Berufskleidung! Auf Grund des verabreichten Bremsers war – laut Aufzeichnungen - die Stimmung nicht mehr zu bremsen.

Jahrgang 1947:
Der Jahrgang bekam vom Ostermontag bis zur Ernte keinen Regen. Es gab unsäglich viele Wespen. Die Trockenheit war so groß, dass die Kartoffeln in der Erde wie Feigen zusammenschrumpften. Wer den 1947er nicht zu Tauschgeschäften verwendete, konnte nach der Währungsreform im Sommer bis Herbst 1948 viel Geld verdienen; er stieg nämlich auf 500 DM pro hl, es waren vollreife, zum Teil schwere Weine. Viele Rinder mussten aus Futtermangel geschlachtet werden.

Im Jahr der Währungsreform (1948) gab es dann eine mittlere Qualität.

...

Und es werden jede Menge Pläne geschmiedet:
1949 wird über die Gründung einer Genossenschaft, die Möglichkeiten der Bewässerung und die Gründung einer Jugendgruppe diskutiert

In den Jahren um 1950 stellte der Obstbau die Haupterwerbsquelle der Sommerhäuser Landwirte dar. Die allmähliche Überalterung der Obstanlagen, die unrentable Wirtschaftsweise (Streuobstbau und Hochstammerziehung) und die übrigen strukturellen Mängel leiteten im Obstbau eine rückläufige Tendenz ein. Um der Misere entgegenzusteuern wurde im Mai 1954 die Obst-Absatzgenossenschaft gegründet. Der Zusammenschluss ermöglichte es, dass der Obstanbau als landwirtschaftliches Standbein in der Maintal-Region erhalten blieb. Zum 25-jährigen Bestehen wurde die heutige Vermarktungshalle am Ortsrand in Betrieb genommen und vom Schnellkühlhaus über die EDV bis zur Schüttel- oder Flowpack-Maschine immer weiter investiert. Gleichzeitig wurden im Flurbereinigungsverfahren Sommerhausen 35 Hektar Gemeinschaftsobstanlagen neu angelegt.

1955 wurden Preise vergeben für Blumenschmuck an den Häusern. Außerdem wird Frieda Steinmann im Bürgerspital zur Fränkischen Weinprinzessin gewählt.

1959 sind in Franken nur noch 2.360 ha mit Reben bestockt! (= absoluter Tiefststand).

Von 1962 bis 1980 wurden die Flächen in einer Weinbergsflurbereinigung nach neuzeitlichen Gesichtspunkten geordnet und wiederbepflanzt. Mit der Verbesserung der Arbeits- und Produktionsbedingungen und der Anpflanzung standortgerechter Rebsorten konnte der Weinbau wieder belebt werden. Die alte Pfahlerziehung verschwand fast vollkommen und wurde durch Drahtrahmenanlagen ersetzt. Im Alten Berg waren es 12 ha und im Reifenstein 71 ha.

Und weiter ging es Schlag auf Schlag:

1971 = Jahrtausendjahrgang

1972 wurde Christoph Steinmann zum Vorsitzenden gewählt

1976 = Jahrhundertwein
1977  = damals höchster Ertrag seitdem es amtl. Statistik gab

1984 wurde eine Krone für die Weinprinzessin angeschafft und die Jungbauernschaft in den Obst-, Wein- und Gartenbauverein integriert

1986 wird Sommerhausen mit der Silbermedaille ausgezeichnet im Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“

In der Folge fanden verschiedene Fahrten in andere Obst- und Weinbauregionen im In- und Ausland statt. Es wurden zwei Wetterstationen und eine Beregnungspumpe angeschafft.

Seit Mitte der 90er Jahre setzt die Absatzgenossenschaft verstärkt auf die maschinelle Ernte von Obst für die industrielle Verarbeitung. Dazu wurden um die 90 Hektar der Bestände maschinengerecht neu gepflanzt. Seit 2003 ist der sog. Schüttler im Einsatz. Dieser kann 100 Bäume in der Stunde leeren. Haben früher sechs bis acht Personen drei bis vier Wochen gebraucht, um 1,5 Hektar abzuernten, so schaffen heute drei Leute mit der Maschine das Doppelte in eineinhalb Tagen. Das setzt Kapazitäten für die Handlese der qualitativ hochwertigen Früchte frei.

Den Verein führten in diesen Jahren:
1972 – 1993 Christoph Steinmann
1993 – 1996 Wolfgang Wolz
1996 – 2002 Werner Wenninger
seit 2002 Robert Braungardt

Die Gegenwart

Kommen wir zu den Aktivitäten in die Gegenwart, sprich: ins 21. Jahrhundert:

Im Jahr 2002 wurde erstmals die Bringen der Trauben (Traubensegnung) durchgeführt, zusammen mit der Weinbruderschaft Franken. Seitdem wird dieser Brauch in jedem Herbst wiederholt....

Ostern 2003 wurde auf Initiative des Vereins erstmals der Katharinenbrunnen geschmückt unter Mithilfe der Ortsbäuerin und der örtlichen Floristin.

Schon seit vielen Jahren praktizieren die Sommerhäuser Winzer einen umweltschonenden Weinbau. Zur Bekämpfung des Traubenwicklers, der als Fraßschädling an den Trauben große Probleme bereiten kann, wird seit über 10 Jahren die sog. „Verwirrmethode“ eingesetzt. Pro Hektar werden dafür 500 Pheromondispenser im Frühjahr ausgebracht. Es ist zwar eine aufwändige Prozedur, aber letztendlich besteht der Schutz von April bis zum Ende der Vegetationszeit und es kann auf Insektizide verzichtet werden. Der Winzer macht sich dabei die Natur zu Nutze. Um die Männchen auf sich aufmerksam zu machen, geben die Weibchen vor der Begattung spezielle Lockstoffe ab. Bringt man diese Duftstoffe großflächig im ganzen Weinberge aus, werden die „Männchen“ verwirrt und das Zusammentreffen der beiden Partner kann verhindert werden. Es kommt nicht zur Begattung und die Entwicklung der gefürchteten Heu- und Sauerwürmer unterbleibt. Einmal mehr ist hier die Gemeinschaft gefordert, denn das Verfahren funktioniert nur, wenn sich alle Winzer in einem Gebiet beteiligen. 

Nachdem er schon oft angedacht worden war, wurde im Jahr 2003 erstmals ernsthaft über einen Weinlehrpfad diskutiert. ...

Gut kann ich mich daran erinnern, als Robert Braungardt mich damals gefragt hat, ob ich ihm und seinem Verein bei der Gestaltung eines Weinlehrpfades ein wenig helfen würde. Gesagt – getan. So trafen wir uns dann im Herbst 2003 erstmals zu einer Begehung und sind den geplanten Weg mit einer „Experten-Kommission“ abgelaufen. Geeignete Plätze für Thementafeln, Rastplätze und Rebsortenlehrpfad wurden festgelegt, Ideen und Themen gesammelt. Gemeinsam mit Tina Westendorf und Jochen Tratz von den „Frankfurter Fünf“, Bürgermeister Fritz Steinmann und Vertretern der örtlicher Gruppierungen wurde in Folge in einer Arbeitsgemeinschaft effektiv an die Umsetzung gegangen und die Ideen verwirklicht. Finanzielle Unterstützung erhielt der Verein durch Zuschüsse der Gemeinde, dem Freistaat Bayern und der EU. Zusätzlich gelang es rund 20 Winzer und Gastronomen als Sponsoren mit ins Boot zu holen.

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Am 7. + 8. Mai 2005 war es dann so weit: Der Wein-Kulturweg wurde eingeweiht und dabei auch gleich ganz kräftig begossen. Der Himmel schickte nämlich sehr viele Freudentränen (Regen!!!).
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In Verbindung mit der Gestaltung des Wein-Kultur-Weges entstand 2004 auch das neue Logo des Obst-, Wein- und Gartenbauvereins. ...

Aktuell hat der Verein 103 Mitglieder.  90 ha Weinbergsfläche und 189 ha Obstbaufläche sind registriert. ...

Eine Reihe von Veranstaltungen werden jährlich durchgeführt: So wird am 1. Mai das Winzerfest gefeiert. Bei der traditionellen Jungweinprobe im Rathaus werden die Weine des neuen Jahrgangs präsentiert. Zusätzlich gibt es die kritische Selbstvermarkterweinprobe mit der Fachberatung und die Traubensegnung im Herbst. Dieses Jahr wird im Herbst anlässlich des Jubiläums eine kulinarische Weinprobe stattfinden. Vielleicht entwickelt sich ja auch daraus etwas Wiederkehrendes.